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20160117-221017

Am Oberlauf der Lainsitz

Sommer 2008. Es ist schwül. Kein Lüftchen weht. Im dichten Blätterwald über dem trägen Bach kreisen die Mücken. Die Sonne erreicht nur an wenigen Stellen, das grau-braune Wasser des Baches. Zu dicht hängen Büsche und Zweige größerer Bäume über den träge rinnenden Fluß. Wir versuchen das Kanu am Platz zu halten. Ein paar Meter vor uns bemühen sich Joe und Mario ein Boot über einen Baumstamm zu heben, der wie so viele andere in den Bach gestürzt ist, und dort langsam vermodert. Die beiden ziehen und schieben. Ich schwitze bereits ziemlich intensiv unter dem viel zu warmen Flanellhemd. Auch den Hut habe ich schon unter meinen Sitz geworfen. Schweißperlen auf der Stirn entscheiden sich jetzt durch die Augenbrauen und der Nase entlang zu rinnen. Obwohl wir erst 15 Minuten unterwegs sind, spüre ich irgendwo im Inneren meinen Hausverstand, der mir zuflüstert, daß wir falls der Rest der Strecke genauso beschwerlich wie die ersten 500 Meter werden sollte, die geplante Tagesetappe wohl niemals schaffen werden. Aber noch sind wir guter Dinge und lachen über die interessante Abwechslung.

Am Vortag waren wir von zu Hause aufgebrochen und je weiter wir fuhren desto besser wurde das Wetter. Wir überquerten die Grenze kurz nach 5 Uhr und fuhren gleich nach Suchdol um dort den Campingplatz ausfindig zu machen. Da dies nicht so einfach war, tankten wir erst einmal, kauften uns ein Eis und fragten uns durch. Bald darauf hatten wir gleich zwei Campingplätze gefunden. Und während wir gerade einchecken wollten, hatten wir die phantastische Idee gleich unsere Freunde zu informieren, wo sich der Campingplatz im Ort befindet. Die Überraschung war perfekt als uns Mario erzählt, daß alle anderen Teilnehmer unserer Tour bereits am Campingplatz in Majdalena ihre Zelte aufgeschlagen haben. Also wurde der Check-in Vorgang abgebrochen und wir fuhren weiter nach Majdalena. Der große, übersichtliche und recht ursprüngliche Campingplatz sprach uns sofort an, und wir überlegten sogar ob wir in Zukunft das Anpaddeln nicht gleich dorthin verlegen sollten. Nachdem wir unser Camp errichtet und die Umgebung studiert hatten, gingen wir zum fröhlichen Gruppengrillen über, daß unweigerlich in ein fröhliches Gruppenfuttern mündete, um dann Stunden später in einem fröhlichen Gruppenschlucken zu enden. Das warme Wetter verleitete uns sogar sehr lange ums Lagerfeuer zu sitzen und zu plaudern. Unsere tschechischen Nachbarn unterhielten uns mit toller Banjomusik.

Nun endlich haben Joe und Mario ihre Grabner Boote über den Stamm gehoben und ihre Fahrt fortgesetzt. Wir machen das gleiche mit unserem leichten Wee-No-Nah und schaffen dies auch recht schnell, während sich Helmut und Susi mit ihrem Bavaria mehr anstrengen mußten. Weiter geht es im schmalen Flußbett, das noch dazu stark meandert. Da ein Großteil der Oberfläche mit Zweigen überwachsen ist, müssen wir uns irgendwie durchkämpfen ohne uns allzuviel um die Flußströmung zu kümmern. Unser langes Boot zwingt uns des Öfteren mit dem Heck unter die Büsche, was zu Striemen an Händen, und eine Menge Schmutz und Holz im Boot führt. Wir hoffen natürlich, daß das Bett irgendwann breiter wird, und wir uns leichter tun unser Boot vorwärts zu bringen. Doch diese Hoffnung wurde nicht erfühlt. Immer wieder liegen Stämme oder ganze Baumkronen im Bachbett und zwingen uns quer zur Strömung an den gefallenen Bäumen anzulegen, auszusteigen, und das Boot über das Hindernis zu heben. Dabei sind die hohen und dicht verwachsenen Ufer keine Option. Trudes Kommentar, einfach auszusteigen und das Boot zum Auto zurück zu tragen, und es irgendwo anders zu versuchen, scheint in ihren Augen logisch, aber weder das eingeschnittene Flußbett, die steilen, kaum zu erklimmenden Ufer, noch die Abenteuerlust des restlichen Teams ließ eine solche Überlegung ernsthaft zu.

Nach der ersten Stunde haben wir dank der vielen Hindernisse und der Meander kaum mehr als einen Kilometer geschafft. Also paddeln wir weiter und hoffen auf eine längere Strecke zwischen den Hindernissen. Abwechselnd paddeln die Teams an der Spitze. So vergehen die Minuten, und aus den Minuten werden Stunden. Immer wieder versperren Hindernisse unseren Weg. Einmal muß Joe uns alle über ein breiteres Hindernis weisen, und es grenzt an ein Wunder, daß niemand ins Wasser fällt. Immer öfter versuchen wir Hindernisse zu unterfahren, indem wir uns flach auf den Boden des Kanus legen und uns unter Stämmen durchtreiben lassen. Mit Helmuts und unserem Kanu geht dies relativ oft, während Joe und Mario ihre Grabner Boote – da höher – viel öfter über Hindernisse heben müssen. Ein wenig später erreichen wir ein Wehr. Wir landen rechtsseitig an und schieben das Boot über das Steinufer hinunter. Gemeinsam machten wir das mit allen vier Booten. Nach einer kurzen Trinkpause setzen wir die Fahrt fort. Mehr als drei Stunden später knurrt uns bereits der Magen und wir sind noch immer weit von Suchdol, dem Ziel unserer ersten Halbetappe entfernt. Beim x-ten Versuch wieder einmal unter einem Baum durchzurutschen passiert eine Unachtsamkeit und schon landen Trude und ich im Wasser. Eine ganz neue Erfahrung. Erstens, daß man die Kälte des Wassers nicht spürt, zweitens, daß man zuerst schaut wie man Boot und Inhalt retten kann, und drittens, daß ich dabei vollkommen ruhig geblieben bin, und den nächsten sinnvollen Schritt überlegt habe. Bald haben wir unser Boot gerettet und entleert, das Gewand gewechselt, und uns wieder auf die Fahrt begeben. Da die anderen Boote schon voraus sind, müssen wir uns an den Hindernissen selber helfen, bzw. geeignete Durchfahrten suchen. Dies gelingt recht gut; außer daß meine Mannschaft langsam zu meutern beginnt. Gott sei Dank haben wir unsere Kollegen bald wieder eingeholt und dann sogar überholt. Eine weitere Durchfahrt unter einem dicken modrigen Stamm werde ich ebenfalls nicht so schnell vergessen. Nur hauchdünn konnte ich mein Gesicht unter der verfaulten Borke durchziehen, und dabei streifte ich ein gefülltes Spinnennest, welches sich in meinem Gesicht entleert. Die Spinnen springen von meinem Gesicht ins Boot. Ziemlich ekelhaft, aber auch etwas zum erzählen. Dann auf der Innenseite einer Windung finden wir eine Sandbank. Wir steigen aus und machen eine verspätete Mittagspause. Auf der Sandbank brennt die Sonne herunter, und kein Lüftchen ist zu spüren. Susi und ich stellen uns in den Bach um etwas Kühlung von unten zu bekommen. Erst 20 Minuten später erreichen uns die anderen beiden Boote. Nicht verwunderlich, da sie ja viel öfter aus den Booten mußten, um sie über Stämme zu schleppen. Regina schaut schon etwas gezeichnet aus. Wir erfahren, daß auch Mario, Joe und Regina ein Bad genommen haben, was aber auf den morschen Stämmen und den schwimmenden Inselchen schnell passieren kann.

Nach der verdienten Pause paddeln wir weiter. Das Ufer wird etwas flacher und der Fluß etwas breiter. Es geht etwas schneller dahin. Nach einer kleineren Steinwurfstelle tauchen auch erste Hütten auf. Bald darauf paddeln wir gemeinsam in einem beruhigten Flußbett - dem Wehr von Suchdol entgegen. Dort legen wir auf der linken Seite an. Bereits im Boot hatten wir einstimmig beschlossen, hier abzubrechen, da die zweite Hälfte der Etappe an diesem Tag nicht mehr zu schaffen ist.

Während Helmut und ich uns aufmachen irgendwie zu unseren Autos zurück zu kommen, ziehen die anderen die Boote an Land und säuberten sie. Wir rufen in einem Restaurant ein Taxi, das uns zu unseren Autos zurück bringt. Damit holen wir dann unsere Paddelpartner ab und fahren zurück auf den Campingplatz. Bei tschechischen Krügerln zu einem Euro steigt die Stimmung schnell wieder an. Doch die allgemeine Müdigkeit zwingt uns alle schon etwas früher als üblich in die Schlafsäcke.

Während wir alle am Sonntag unser Lager abbrechen und zurück fahren müssen, fahren Joe und Stephanie den Teil der Lainsitz den wir auch befahren wollten; zwischen Suchdol und Majdalena. Hoffentlich gibt es bald einen Bericht davon.

Unsere Erkenntnis: Ein schöner Ausflug für die ganze Familie. Aber das von uns gewählte Stück Lainsitz sollten nur echte Abenteurer befahren.