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Wie ich zum Kanu fahren kam


Eine Erzählung von Günter Dollhäubl

Aufgewachsen war ich in den 60ern. In einer Zwei-Zimmer-Wohnung ohne Komfort. Beide Elternteile arbeiteten. Wir hatten noch kein Auto, und der Fernseher war natürlich nur schwarz-weiß. Aber ich kann mich nach all den Jahren noch immer an einige Sendungen erinnern. Da war die Bezaubernde Jeannie, Maxwell Smart, der Liebe Onkel Bill, der rosarote Panther und natürlich Rauchende Colts. Die Colts und natürlich die gerade herauskommenden Winnetoufilme hatten uns Kinder geprägt. Wir spielten wann immer möglich Cowboy und Indianer. Pferde, Forts, Bisons und Kanus gab es nur in unserer Phantasie, und die Silberbüchse war aus einem Ast geschnitzt. Dies alles hinderte uns nicht die Abenteuer unserer Vorbilder nachzuspielen.

Inzwischen sind mehr als 30 Jahre vergangen. Unsere Kinder können nichts mehr mit Winnetou, Old Shatterhand, und Blutsbrüderschaft anfangen. Buzz Lightyear, die Pokemons, oder Luck Skywalker sind die Helden von heute. In uns löst das ein wenig Wehmut aus, den im Herzen, ganz tief drinnen, träumen wir noch immer von einsamen Blockhäusern am See, schnellen Pferden, Birkenrindenkanus, und der Freiheit die diese Begriffe vermitteln.

Zehn Jahre ist es schon wieder her als mir ein guter Freund erzählte, dass ein Arbeitskollege ein Kanu hat, und er uns zusammen mit seinem Partner auf eine Paddeltour durch die Lobau einladen würde. Gesagt, getan. Am Sonntag darauf fuhren wir mit zwei Kanus auf den Autodächern zum Ölhafen in der Lobau. Wir setzten dort die Kanus ein und paddelten die Donau nach Orth hinunter. Von dort ging es über Nebenarme wieder zurück. So unspektakulär dieser Ausflug auch war, so sehr hat er auf uns zwei Anfänger gewirkt. Während sich mein Freund mit Paddelliteratur eindeckte, begann ich darüber nachzudenken, ob es möglich wäre, auf eine meiner zukünftigen Urlaubsreisen eine Kanutour einzubauen. Von Zeit zu Zeit borgten wir uns jetzt auch ein Kanu aus und paddelten damit auf dem Ottensteiner Stausee oder auf der March. Ohne es wirklich bemerkt zu haben, haben wir uns mit dem Virus Kanu fahren infiziert. Es machte uns von Mal zu Mal mehr Spaß lautlos über das Wasser zu gleiten und die Natur auf Nasenlänge vor uns vorbeiziehen zu lassen. Unspektakulär, aber beeindruckend.

Irgendwann erzählte mir meine damalige Freundin vom nordamerikanischen Paddelparadies in Minnesota, nahe der kanadischen Grenze. Ohne viel zu überlegen wurde der nächste Urlaub am Boundary Waters geplant. Im Sommer darauf verbrachten wir 14 Tage im Alukanadier. Mit der Natur im Einklang. Ein unvergessliches Erlebnis. Nach unserer Rückkehr war klar, dass ich mir ein eigenes Kanu anschaffen wollte.

Wieder sind ein paar Jahre vergangen. Die Lust an dieser Freiluft-Freizeitbeschäftigung ist nicht kleiner geworden. Inzwischen habe ich eine Familie gegründet. Aber weder Familienzuwachs noch Hausbau, weder schlechte Bedingungen noch fehlende Praxis konnten uns am lautlosen Gleiten auf silbrig schimmernden Seen hindern. Meine Frau macht dieses Hobby mit, und mein kleiner Sohn liebt wie alle kleinen Kinder Boote über alles. Wir besitzen jetzt auch ein kleines Blockhaus direkt am See, irgendwo auf einem norwegischen Fjell. Und immer wenn wir dort sind, verbringen wir viele Stunden im Kanu am See. Wie einst die Indianer und die Trapper paddeln wir mit dem Kanu entlang des Ufers, halten Ausschau nach Wildtieren, fischen, oder freuen uns nur diesen Moment genießen zu dürfen. Obwohl man ein Kanu mieten kann, habe ich mir doch eines gekauft, und obwohl man ein Kanu fast ewig hat, haben wir inzwischen ein zweites, welches fix am See verbleibt, und ein drittes gibt es bereits im Gedanken.

Einige unserer Bekannten wurden von der Seuche Kanu fahren schon angesteckt, und mehr und mehr Leute kommen am Ersten Mai Wochenende zum jährlichen Kanufahrertreffen auf den Ottensteiner Stausee. Sportbegeisterte Singles, Bootsliebhaber, oder Camping liebende Familien. Unsere Gemeinschaft der Gleichgesinnten wächst und wächst, und schon lange sind es nicht mehr die ältere Generation, die einmal so wie Winnetou sein wollen, sondern es kommen auch junge Leute mit ihren Booten um einfach nur "Fun" zu haben. Ein Grund mehr, Zeilen wie diese zu Papier zu bringen...

2. April 2003, GuenterDollhaeubl