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20151109-235625

La Ruta Maya River Challenge

Das härteste Kanurennen der Welt

Eine Erzählung von Günter Dollhäubl

7. März

Also das ist San Ignacio. Ein Dorf. Es gab hier zwar eine Cantina in der man auch Zimmer vermietete, aber die meisten der Teilnehmer, ihre Serviceleute und sonstigen Begleiter wurden privat untergebracht. Die Bewohner von San Ignacio stellten ganz einfach ihre Häuser für ein paar Tage zur Verfügung und bekommen dafür vom Veranstalter eine Entschädigung. Ein guter Verdienst für die armen Leute. Da rückt man eben gerne zusammen. Wir waren heute am morgen angekommen. Mein Partner Helmut und ich. Das Wetter war ganz gut auf der ganzen langen Reise. Kaum Regen, nur immer wieder Dunst und Nebel, und eine unglaubliche Luftfeuchtigkeit. Nun wussten wir aus eigener Erfahrung was wir zu Hause im Lexikon gelesen hatten: Durchschnittstagestemperatur 30ºC, Luftfeuchtigkeit 98 %, Jahresniederschlagsmenge 1890 mm! Die Fahrt mit dem Bus hier herauf war interessant, aber nicht spektakulär. Sofort nach der Ankunft in San Ignacio hatten wir uns bei der Organisationsleitstelle gemeldet. Sie hatten uns registriert und uns Schlafplatz, Startnummer und Boot zugeteilt. Auch wurde uns das offizielle Kartenmaterial ausgehändigt. Nach kurzem Studium stellten wir fest, dass es sehr gute Karten sind. Auch die GPS Koordinaten waren vorhanden. GPS darf zwar nur im Notfall verwendet werden, aber bei den professionellen Teams wird man trotz abgegebenem Ehrenwort wahrscheinlich nicht darauf verzichten können. Ein entsprechend ausgestatteter Helikopter kontrolliert wer sein GPS System einsetzt, und würde bei Verstößen die Schuldigen mit Zeitstrafen belegen, aber alle Verstöße würden sicher nicht aufgedeckt werden. Nicht registrierte Systeme sollte es zwar nicht geben, aber falls doch, könnten sie keinem Boot zugeordnet werden. Die professionellen und semi-professionellen Teams hatten schon längst den Fluss abgeflogen und die kritischen Stellen durchpaddelt. Ihre Scouts hatten alle Schwierigkeiten, wie versteckte Felsen, Walzen, oder Untiefen sorgfältig in detaillierte Karten eingezeichnet. Auch in diesem Sport ist Information der halbe Erfolg. Es ist unglaublich wie viel Aufwand manche Teams betrieben, obwohl in diesem Sport noch nicht sehr viel zu verdienen ist, und keine Werkteams existieren. Was nicht ganz richtig ist, da amerikanische Firmen wie Old Town, White River, Black Crow oder Melville bereits erkannt haben, dass es werbetechnisch reizvoll ist, den Gewinner der großen Regatten und Conteste zu stellen. Mad River und die europäischen Erzeuger gehen diesen Trend nicht mit. Noch nicht.

Wir hatten ein kleines Zimmer in einem recht nett eingerichteten Häuschen zugewiesen bekommen. Außer uns wohnten auch noch sechs andere Bewerber dort. Vier Amerikaner und ein französisches Ehepaar, die heuer bereits zum zweiten Mal dieses Rennen bestritten. Zum Essen mussten wir 800 Meter den Hügel runter gehen, wo in einem großen Partyzelt alle Teilnehmer ausgespeist wurden. Das Essen war nichts besonderes, aber gut gewürzt und reichlich.

Am Nachmittag fassten wir unser Boot aus. Einen Alukanadier, Type Hawkeye der Marke Snowdown. Ich kannte weder Boot noch Marke. Aber es sah recht robust aus und sollte ganz verlässlich sein. Trotz der spartanischen Ausstattung wog das Boot angeblich 34 kg. Nicht sehr leicht für einen Rennkanadier. Wir bekamen auch eine Spritzdecke und konnten uns ein Paddel aussuchen. Das Montieren der Spritzdecke war nicht so einfach. Wir hatten so etwas vorher noch nie verwendet, aber hier brauchte man sie zumindest auf den ersten beiden Etappen, die teilweise WW III Charakter haben. Dazu aber ein bisschen später. Als wir die praktischen Arbeiten erledigt hatten, setzte ein leichter Regen ein. Wir retteten uns wie viele andere in die Cantina, ergatterten einen kleinen Tisch, den wir mit zwei Kanadiern teilten, und fingen an die Pläne zu studieren. Im Gegensatz zu den Spitzenteams mussten wir uns ganz auf die Information der Karten verlassen, und konnten uns unterwegs nur durch Beobachten des Flusses und unserer Konkurrenten helfen. Die 120 Meilen haben aber dermaßen viele Schwierigkeiten, dass man sich ohnehin nicht alle merken kann. Also beschlossen wir die Geschichte ganz einfach auf uns zukommen zu lassen, um dann spontan zu reagieren. Wir kamen dann mit Mike und Phil, den beiden Kanadiern ins Gespräch, die sich die gleiche Taktik überlegt hatten. Keine Überraschung, da für zwei Drittel des Feldes Durchkommen die oberste Devise war. Und das Feld war immerhin 131 Teilnehmer stark. Wir tranken ein paar Tequilas zusammen und beschlossen am nächsten Tag eine gemeinsame Trainingfahrt zu unternehmen.

Glitschnass erreichten wir unser Zimmer. Wir entledigten uns des nassen Zeugs und rollten uns in die Decken. Trotz der schwülen Hitze war mir ein wenig kalt. Wahrscheinlich die Aufregung, die sich auf den Kreislauf schlug. Nach einer langen Vorbereitung war alles dann recht schnell gegangen. Wir flogen über die USA nach Belmopan, der Hauptstadt von Belize. Das ehemalige Britisch Honduras wurde 1981 unabhängig, jedoch hat es viel von seiner britischen Vergangenheit bewahrt. Es wird auch noch englisch gesprochen, was für uns beide ein großer Vorteil war. Nun waren wir also hier. Ein kleines feuchtes Land, nur 22000 Quadratkilometer groß, welches nicht mehr als 235000 Einwohner hat, und das zu 92 % mit Urwald bedeckt ist. Stets feucht und schwül. Sicher ein ungesundes Klima, aber es waren keine Impfungen notwendig. In meinen Gedanken versunken schlief ich bald ein.

8. März

Es hatte aufgeklart. Es freute uns auf dem Weg zum Frühstück die Sonne zu sehen. Wir waren voller Tatendrang und wollten uns erst einmal den Bauch voll hauen. Alle anderen hatten die gleiche Idee und es erforderte sehr viel Geduld sich an die endlose Schlange anzustellen, um Kaffee, Maisbrote, Käse und gekochte Eier auszufassen. Nach dem Frühstück wanderten wir zur Bootsanlegestelle. Wieder hieß es warten. Die Veranstalter inspizierten die Boote und versahen sie mit einer Plombe. Dies war notwendig um sicher zu gehen, dass das Boot während des Rennens nicht getauscht werden kann. Damit will man faire Verhältnisse schaffen. Die Profiteams waren mit 5 bis 6 Booten angereist, und könnten für spezielle Bedingungen die optimalen Boote einsetzen. Dies würde aber die nicht so finanzstarken Teams stark benachteiligen und die Veranstaltung zur Farce werden lassen. Aber durch diese Regel müssen auch die firmennahen Teams den bestmöglichen Kompromiss suchen. Für Leute wie uns war das alles kein Thema. Wir wollten nur heil ins Ziel kommen. „Dabei sein ist alles“ war unsere Devise.

Endlich waren die Formalitäten erledigt und wir kletterten in der Badehose in unser Boot. Natürlich ohne Schwimmweste und Helm, was uns fünf Minuten später eine Verwarnung der Turnierleitung einbrachte. Also wieder anlegen und die notwendigen Requisiten holen. Als wir endlich aufbrechen konnten waren die meisten Teilnehmer schon weg. Unsere kanadischen Bekannten hatten wir in dem allgemeinen Trubel überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Also stachen wir alleine in See, oder besser gesagt in den Macal River. Helmut auf der hinteren Bank am Steuer, und ich vorne als Schlagmann. Dies hatten wir bereits vorher ausgemacht, da er nicht nur schwerer als ich ist, sondern auch die bessere Technik besitzt. Während ich mich ins Boot setzte und es mir irgendwie bequem machen wollte, kniete sich Helmut ins Kanu. So wie es sich für einen echten Kanuten gehört. Beschämt folge ich seinem Beispiel, um mich nach 20 Minuten mit schmerzverzerrtem Gesicht und total eingeschlafenen Beinen wieder auf die Sitzbank nieder zu lassen. Ich musste einen weiteren eklatanten Unterschied zu den professionellen Teams erkennen – meine physischen Möglichkeiten.

Das Boot selbst war nicht schlecht, es kam uns recht rasch vor und Helmut bestätigte, dass es sehr leicht zu steuern sei. Kaum hatten wir uns an das Boot gewöhnt und einen Rhythmus gefunden, kündigte sich nach nicht einmal 3 km die erste Herausforderung an. Ein stärker werdendes Rauschen zeigte uns, dass wir uns den Santa Domingo Stromschnellen näherten. Wir hatten dies mit anderen Teilnehmern besprochen und die Karte studiert. Wir wussten dass sich das Hindernis ohne Probleme befahren ließ, wenn man in der auf uns zukommenden Rechtsbiegung ganz ihnen blieb und den ersten Katarakt möglichst in Ufernähe runterrutschte. Die Strömung würde uns automatisch in die Flussmitte tragen, wo sich ein riesiger Felsen befindet. Dieser Felsen musste noch an der rechten Seite bewältigt werden, und der Rest ist kein größeres Problem mehr. Wir steuerten also die Rechtskurve an und sahen gerade noch wie sich drei andere Boote mit wildem Yiiiipppiiiii nacheinander in die Tiefe ließen. Dies hob den Adrenalinspiegel und das schneller werdende Wasser tat sein übriges. Ich paddelte auf der linken Seite und versuchte mit weiten Rundschlägen das Boot entlang des Ufers weiter zu treiben. Doch etliche Felsen in Ufernähe die kleinere Walzen bildeten ließen uns einen zwei, drei Meter größeren Radius fahren. Und nun war sie da, die Kante. Nur noch 10 Meter und sie kam schnell näher. In dem Moment als ich über sie hinausschoss, holte ich tief Luft. Kurz erinnerte mich das an eine Achterbahnfahrt bevor du in die Tiefe stürzt. Aber schon war der Gedanke verflogen, als ich merkte wie wir über einige Felsen rumpelten und versuchten das Gleichgewicht zu halten. Ich wollte gerade daran denken was passieren würde falls wir frontal auf einen Felsen auffuhren, als mir bewusst wurde, dass die Strömung uns jetzt voll erwischt hatte und uns nach links hinaus trieb. Einen Moment lang hatte ich die Furcht, dass wir uns quer zur Strömung stellen würden und dann unweigerlich kentern mussten, aber da hatte Helmut die kritische Situation schon wieder bereinigt. Noch konnte ich nicht aufatmen. Als ich durch stetiges Zwinkern das Wasser endlich aus den Augen bekam und wieder halbwegs sehen konnte, entdeckte ich mitten in der wilden Gischt cirka 15 Meter vor mir einen großen schwarzen Felsen. Ich fing an wie wild zu paddeln, aber es sah so aus als ob wir nur links vorbei kommen würden. Eine Fahrt in die Hölle. Wir taten unser bestes aber drei Meter vor dem Felsen war mir klar, entweder weiter kämpfen und frontal dagegen schlagen, oder links vorbei. Noch während ich mich auf ein rasches Aussteigen vorbereitete – und ich wusste nicht ob dies mit der Spritzdecke reibungslos gehen würde – gab es einen Ruck im Kanu und der Bug wurde plötzlich nach rechts gerissen. Ich konnte gerade noch das Paddel hochnehmen, bevor wir mit der linken Seite auf voller Länge am Felsen entlang schrammten. Dieses schrille Geräusch übertönte sogar das Rauschen des Wildwassers. Kaum vorbei tauchten wir frontal in eine Walze ein. Ich konnte gerade noch Luft holen und mich fragen, warum ich eigentlich vorne sitze. Fünf endlos lange Sekunden später wusste ich warum. Wahrend ich mich am Paddel festgehalten hatte, und nur versuchte durch die Wucht des Wassers nicht aus dem Boot gespült zu werden, war es Helmut gelungen, das Kanu zwischen zwei weiteren Hindernissen hindurch zu manövrieren und es weiter parallel zur Strömung zu halten. Die nächsten 100 Meter waren übersät von Steinen, aber das Wasser war zumindest auf der rechten Seite des Flusses kaum einen halben Meter tief. Wir versuchten nun im Wahnsinnstempo zwischen den Steinen, die teilweise kaum zu sehen waren, durchzufahren. Kurz hatte ich auch Zeit aufzuschauen, und etliche andere Leute in ihren orangefarbenen Schwimmwesten im Wasser treiben zu sehen. Dann musste ich mich sofort wieder auf den Fluss konzentrieren. Zweimal knallten wir frontal gegen Steine und ich konnte mich immer nur im letzten Moment durch Festhalten im Boot behaupten. Dann waren wir wieder in ruhigerem Gewässer und gleich nach der nächsten Biegung gab es eine Sandbank an der man anlegen konnte um Verletzungen zu behandeln, das Boot zu checken, oder einfach die Sache noch einmal zu probieren. Als die Sandbank in unser Sichtfeld kam beschlossen wir sofort daran vorbei zu paddeln, denn dort lagen an die 50 Kanus verstreut auf den Steinen. Wir wollten natürlich auch zeigen, dass die Santa Domingo Stromschnelle für waschechte Österreicher nur ein "Klax&" ist, und dies uns kaum aus dem Konzept bringen konnte. Die Einzigen die das nicht glaubten, waren wir selbst. Aber dieser kleine Erfolg war gut für unser Selbstvertrauen. Erstmals in meinem Leben war ich eine WW III Stelle hinunter gefahren.

Nun kam eine etwa 8 km lange halbwegs gerade Strecke mit steilen Ufern, bevor eine große Bucht mit einigen Altarmen, das nächste Hindernis ankündigte. Nach einer lang gezogenen Rechtskurve rauscht der Fluss über eine ca. 500 m lange Strecke, sehr breit und flach, eine Schnelle hinunter. Unzählige Steine ragen aus dem Wasser, aber noch viele mehr befinden sich knapp unter dem Wasserspiegel. Eine so genannte „Good Luck Passage“. Dafür gibt es auf der Karte keinen empfohlenen Weg, sondern nur ein Kreuzchen. Dies bedeutet: Achtung aufpassen und Gott vertrauen. Wir legten in der Kurve auf einer der zahlreichen Inseln an, die durch diverse Nebenarme entstanden sind. Ein paar andere Bewerber hatten dasselbe getan, wie wir aus den 7 dort bereits liegenden Kanus erkennen konnten. Wir wanderten cirka 200 Meter durch den Regenwald, bevor wir ein kleines Steinmassiv erkletterten. Ein paar uns entgegenkommender Amerikaner sagten uns, dass es den Aufstieg wert sei. Fünf Minuten später waren wir auf einem Steinplateau von dem aus man gut die Good Luck Passage einsehen konnte. Hier war der Fluss im Schnitt 50 Meter breit, und die vielen schwarzen Punkte, die Wasserfontänen und Walzen sagten uns, dass wir spontan reagieren müssen, aber auch, dass es wirklich keine gute Stelle zu geben schien. Wir setzten uns erst einmal nieder und rasteten eine Weile. Ein paar andere Teilnehmer zogen inzwischen ab. Nach zirka 10 Minuten sahen wir dann ein grünes Boot auftauchen, welches in Windeseile zwischen dem zischenden Schaum verschwand. Wir dachten fast es sei gekentert, als es ein paar Meter weiter unten zwischen den Steinen wieder in unser Sichtfeld kam. Es war zwar weit weg, aber wir konnten gut erkennen, wie es immer wieder durchgeschüttelt wurde. Wahrscheinlich durch versteckte Steine auf die man auffuhr. Das grüne Boot hatte die rechte Seite des Flusses gewählt, und bald waren wir uns sicher dies nicht zu tun. Doch erstaunlicherweise kam das Team unten an, ohne zu kentern. Noch bevor wir unsere Erkenntnisse austauschen konnten, entdeckten wir drei weitere Kanus am Oberteil des Stückes. Sie hatten jeweils, die Mitte, bzw., mehr die linke Seite des Hauptarmes gewählt. Ich hatte mich noch nicht entschieden, auf welches der drei silbern blinkenden Boote ich mich konsentrieren sollte, als das erste in der Mitte paddelnde Boot plötzlich quer zur Strömung stand und eine Sekunde später auch schon kenterte. Wie gebannt starrte ich auf dieses Schauspiel und es war ein gutes Gefühl zu sehen, wie die beiden Kanuten plötzlich aus dem Wasser auftauchten, dass dort anscheinend nicht einmal hüfttief war. Ihr Boot hatte sich zwischen zwei Felsen gefangen und musste erst frei gemacht werden. Ich suchte mit meinen Blick die beiden anderen Kanus. Doch ich sah nur eines, welches fast am unteren Ende war. Es schien durch zu kommen. Wo war die Nummer drei? Da sah ich das Boot kieloben in der Nähe des linken Ufers treiben. 100 Meter höher stiegen die beiden Piloten ans Ufer und wurden dort von Helfern in gelben T-Shirts in Empfang genommen. Inzwischen konnte auch Boot Eins befreit werden und es trieb mit etwas Schlagseite den Fluss hinunter. Die beiden Fahrer konnten es unmöglich halten. Unterhalb der Stromschnelle würde es von Helfern aus dem Wasser gefischt werden. Nach weiteren fünf Minuten taucht plötzlich ein rotes Kanu auf. Wir sahen sofort, dass die Fahrer ihr Handwerk verstanden. Wieselflink bewegte sich das Boot zwischen den Felsen. Natürlich wurde es auch durchgerüttelt, aber es tauchte immer wieder aus der Gischt auf. Wir waren beide total verzückt und konnten es nicht glauben, dass die Fahrer gleich unterhalb der Schnelle versuchten in das Kehrwasser eines einfließenden Seitenarmes zu kommen, und dort gegen eine Sandbank gedrückt wurden, was sie zum aussteigen zwang. Niemals die Konzentration verlieren, war was wir daraus lernten. Inzwischen waren wieder ein paar Leute auf den Felsen gekommen. Spanisch sprechende; wahrscheinlich Einheimische, oder andere Mittelamerikaner. Ich hatte mir am Vortag die Meldeliste angesehen, und keine Spanier gesehen, aber etliche Leute aus Guatemala, Costa Rica, Honduras, Ecuador und Peru. Auch gab es ein paar brasilianische Teams. Wir waren auf alle Fälle die einzigen Österreicher. Dafür gab es etliche deutsche Teams und genau so viele tschechische. Ein paar Italiener und Franzosen. Weit mehr als die Hälfte der Teilnehmer kamen aber aus den USA oder Kanada.

Wir gingen wieder zu unserem Boot zurück und bereiteten uns auf diesen Test vor. Es kam uns noch die Idee zu Fuß die Seitenarme auszukundschaften, ob es da ein gefahrloseres Durchkommen gab, aber nachdem die Detailkarten nichts davon sagten, verwarfen wir die Idee wieder. Als wir ablegten waren wir hoch konzentriert. Ein paar schnelle Paddelstöße und schon waren wir in der Strömung. Wir ließen uns einfach treiben und waren froh, dass es uns zur Mitte hin trug. Noch zwanzig Meter. Ich schluckte, packte mein Paddel fester und verspreizte meine Beine im Boot. Und dann waren wir mitten drin. Ich machte nicht viel außer im Boot zu bleiben und mit Hüfte und Armen die Stöße von den Seiten und von unten auszutarieren. Ich versuchte trotz des Spritzwassers die Augen stets offen zu halten, und entdeckte, dass ich die auf uns zurasenden Steine unter der Oberfläche recht gut erkennen konnte. Also fing ich an zu brüllen. „Achtung, rechts. Links…. wieder links…. Walze rechts vorn…. Stein direkt voraus…. Festhalten…. Super… Rechts…. Rechts hab ich gesagt, Scheiße…. Mehr links…..“. Dann waren wir fast durch und ich begann zu jubeln. Dabei merkte ich aber, dass wir bei diversen Walzen tief mit dem Kiel eingetaucht waren, und eine Menge Wasser geschöpft hatten. Die Spritzdecke war anscheinend nicht richtig montiert worden. Auch Helmut hatte es bemerkt und steuerte das linke Ufer an. Wir versuchten das Boot möglichst ruhig zu halten um ein Schwappen des gefassten Wassers zu vermeiden. Doch da war ein kleiner Einfluss eines Seitenarmes und wir bekamen einen Stoss von links. Automatisch balancierten unsere Körper das Boot wieder aus. Und das war ein Fehler. Das Wasser im Boot kam so in Bewegung und bei einem Stand von ca. 10 cm war da nicht mehr sehr viel zu machen. Wir kämpften auch nicht mehr dagegen an, sondern ließen uns aus dem Boot ins lauwarme Flusswasser fallen. Hier war nicht viel Strömung und das Kiesbett unter uns war kaum einen halben Meter tief. Wir zogen das Boot am Ufer entlang den Fluss runter. Nach ca. 100 Metern konnten wir es dann in einen Seitenarm und ans Ufer ziehen. Helfende Hände waren sofort zur Stelle und ein paar Sekunden später war Boot und Ausrüstung am Trampelpfad neben dem Fluss abgestellt. Wir erholten uns erst einmal und schauten zu wie auch andere Teilnehmer mehr oder minder erfolgreich diesen Parcours bewältigten. Es war klar ersichtlich, dass Glück und Technik den Ausschlag gaben, um diese Stelle erfolgreich zu bewältigen. Wir fixierten unsere Spritzdecke wieder, und diesmal sorgfältiger und mit Vergewisserung, so dass wir nicht wieder massenhaft Wasser schöpfen würden. Leider war das Boot nicht unbedingt ideal ausgestattet, und es gab keine integrierte Vorrichtung für das Anbringen der Spritzdecken, sondern sie wurde einfach übergestülpt und ein Gummizug hielt sie fest.

Dann schoben wir das Boot wieder ins Wasser und gerade als wir ablegen wollten, kam das Team im roten Boot wieder die Stromschnellen herab. Anscheinend fuhren sie die Stelle aus Trainingszwecken mehrmals ab. Wir setzten unsere Fahrt fort und weiter ging es zum nächsten Hindernis. Ein Dreierkatarakt. Das Roadbook sagte: Vor Befahrung unbedingt besichtigen, da Konditionen jeden Tag anders. Wir wussten aus der Routenbeschreibung dass dieses Hindernis links zu besichtigen war, während am rechten Ufer auch die weitere Strecke einschaubar war. Leider war es aber nicht möglich den Fluss mit dem Boot zu queren. Etwa 200 Meter oberhalb gab es aber eine Fußgeherbrücke, die man benutzen konnte. Bald hatten wir nach schneller Fahrt die Brücke in Sichtweite. Wir legten am rechten Ufer an und klettern die Böschung hinauf. Dann wanderten wir einen ausgetretenen Pfad bis zu einem Abbruch, von dem man weit über die Savannenlandschaft schauen konnte. Eine endlose wellige, grüne Waldlandschaft. Der Fluss lag hier recht frei vor uns und wir sahen kaum Hindernisse, aber viele Richtungsänderungen. So schön der Aussichtsplatz auch war, er gab keinen Aufschluss über das nächste Hindernis, da es von dieser Seite nicht einsehbar war. Also gingen wir wieder zu unseren Boot zurück. Wir stießen uns kraftvoll vom Ufer ab und versuchten so schnell wie möglich das linke Ufer zu erreichen. Da der Fluss hier nicht sehr breit war, war dies schnell gemacht, aber die Fliessgeschwindigkeit des Flusses erlaubte uns trotzdem erst eine Landung 100 m weiter flussabwärts. Wir landeten wieder an, was an der steilen Böschung nicht so einfach war. Jedoch standen hier dutzende Leute, die das zugeworfene Tau auffingen und uns an Land zogen. Wir stiegen wieder aus und wanderten den ausgetretenen, schmutzigen Pfad zur Kante vor. Wir sahen hinunter und schluckten. In drei Stufen fiel das Wasser hinunter. Zwischen den einzelnen Stufen waren kaum zehn Meter. Die erste und die dritte Stufe glichen sich sehr. Beide waren etwa ein eineinhalb Meter hohe Wasserfälle. Die mittlere Stufe war hingegen nur eine Art Steinwurfstelle, die an manchen Stellen das Wasser reichlich durchließ. Zusammen mit mindestens 20 anderen Personen diskutierten wir den besten Weg durch dieses Hindernis. Man war sich einig, dass die erste Stufe kaum berechenbar war, da man von oben gar nicht sehen konnte, wo man sich in die Tiefe ließ. Jedoch meinten alle, je schneller man auf diese Stelle zufuhr und je mehr man den Bug entlasten kann, desto besser. Sobald man das Boot wieder unter Kontrolle hatte musste man nur eine Lücke zwischen den Steinen finden, die breit genug war, um das Kanu durchzulassen. Dann die Steinwurfstelle runter poltern und sofort das Boot gerade stellen, und das ganze Gewicht wieder weit nach hinten. Dies war leider nicht so einfach zu machen, denn durch die Spritzdecke kann sich der Vordermann nicht einfach nach hinten werfen. Es war uns auch klar, dass diese Stelle in diesem Tag möglichst links von der Mitte anzufahren sei, da dort die Steinwurfstelle am leichtesten zu meistern war. Aber ein anderer Wasserstand könnte die Situation vollkommen ändern. Ein lauter Ruf von der Flussseite her lenkte unser aller Aufmerksamkeit auf sich. Ein Boot kam in Windeseile auf das Hindernis zu. Die Paddler versuchten es ziemlich in der Mitte leicht nach rechts abfallend, um wahrscheinlich für die zweite Stufe gleich die richtige Durchfahrt zu bekommen. Das Boot tauchte voll mit dem Bug in die Gischt, der Frontmann verschwand komplett unter Wasser. Plötzlich tauchte das Heck wie ein Sektkorken wieder senkrecht aus dem Wasser, und wie in Zeitlupe fiel das Boot dann auf seine linke Seite. Schon während es Fallens des Bootes stürzte der Steuermann kopfüber in den Pool, während der Frontmann mit dem Rücken voraus, den zweiten Katarakt hinuntergespült wurde. Das Boot folgte kurz darauf denselben Weg. Inzwischen war der Steuermann wieder aufgetaucht und mit ein paar Schwimmtempi auf einen Felsen zugetrieben und hatte sich dort festgekrallt. Kurz darauf war einer der „gelben“ Helfer bei ihm und hatte ihm ein Tau zugeworfen. Damit konnte er sich auf den Felsen retten. Erst jetzt registrierte ich, dass auf allen größeren Felsen im zweiten Katarakt braune Burschen saßen, im gelben T-Shirt mit Seil und Stange in der Hand. Gott sei Dank waren diese helfenden Hände überall. Nun suchte ich unterhalb des zweiten Katarakts den zweiten Mann. Aber Helmut zeigte mir, dass dieser auch über den dritten gestürzt war und nun an seinem Boot hing, das ihm auf den Fuß gefolgt war. Ein lautes Diskutieren unter den Beobachtern hatte eingesetzt. Jeder versuchte den Fehler der beiden zu finden und die Fahrt zu analysieren. Doch schon kam wieder ein Boot um die Kurve. Auch dieses Boot versuchte in der Mitte durch zu kommen. Als sie genau über dem ersten Katarakt waren legten sich beide Paddler auf den Rücken. Das Boot kippte über und fiel hinunter. Unter der Wucht des Aufpralls tauchte das Boot tief ein, kam aber sofort wieder an die Oberfläche. Inzwischen waren die beiden Paddler schon wieder auf und versuchten das Boot auf den zweiten Abfall zuzusteuern. Sie nahmen aber nicht die für uns Zuseher logische Lücke sondern die viel breitere aber um drei Meter rechts versetzte. Auch dieses Manöver gelang und sie verschwanden aus unserem Gesichtsfeld. Gespannt warteten wir wie sie die dritte Stufe meistern würden. Doch sie kamen nicht wieder in unser Blickfeld. Anscheinend waren sie genau hinter dem großen Stein runter gefahren. Da ein Aufschrei. Alle blicken in die Richtung in der einer der Zuseher zeigte. Ja wirklich, da trieb das Boot kieloben hinunter. Auch konnten wir die beiden Piloten in ihren orangefarbenen Schwimmwesten erkennen. Helmut meinte trocken, dass die Leute mehr üben müssen, oder es lassen sollten. Dann drehte er sich um und sagte, „Komm holen wir das Boot, ich habe Hunger.“ Dagegen war nichts einzuwenden, da es auch hieß, das Training ist für uns beendet. Erleichtert nahm ich mein Paddel, öffnete meine Schwimmweste und rannte hinter ihm her. Langsam wurde mein Mut, der sich irgendwo in eine meiner Taschen versteckt hatte, auch wieder größer. Wir nahmen unser Boot über Kopf und wanderten so cirka 10 Minuten zum Parkplatz. Dort kamen wir schweißüberströmt an. Wir waren froh, dass ein paar Boys das Boot übernahmen und es auf einen großen Anhänger hievten. Wir setzten uns auf einen Stein und harrten der Dinge. Nach 20 Minuten kam ein Kleinbus an, der uns und ein paar andere aufnahm. Darinnen trafen wir auch auf unsere Bekannten, die beiden Kanadier Mike und Phil. Phil hatte ein Pflaster auf der Wange und einen Verband auf der Hand. Sie erzählten uns zerknirscht, dass sie schon früh diese Trainingsfahrt angegangen waren, aber dann auf der zweiten Good Luck Stelle frontal gegen einen Stein gefahren waren, und Phil kopfüber aus dem Boot geflogen war. Dabei hatte er sich ein paar Abschürfungen und Prellungen zugezogen. Nicht weiter schlimm für den Bären aus Quebec, aber leider hatten sie es auch geschafft ihr Kevlarkanu zu brechen. Es hatte auf der Seitenwand einen cirka einen Meter langen Riss. Sie würden versuchen es noch heute Nacht zu kleben, damit sie morgen einsatzbereit sein würden. Den Rest der Fahrt verbrachten wir eher schweigend und hingen unseren Gedanken nach, die sich selbstverständlich am Erlebten und Gesehenen orientierten. Eines war klar, ich persönlich hatte die Schwierigkeiten dieses Parcours unterschätzt. Ich dachte mir, dass es eher ein Abenteuer in den Tropen werden würde, ohne Gefahr für Leib und Leben. Jetzt wusste ich, dass es wohl ohne blaue Flecken nicht abgehen würde. Plötzlich fragte mich Helmut was ich gerade dachte, und ob ich mir nach wie vor zutraute, dieses Rennen mitzumachen. Ich belog mich selbst und antwortete, dass es schwieriger zu sein scheint, als ich mir vorgestellt hatte, aber das Baden in diesem Fluss ein eher angenehmes Unterfangen sei. Helmut lachte, und antwortete, dass wir ja immer noch das Boot um die Sonderprüfungen tragen könnten, da wir ja sowieso nicht gewinnen werden. Damit hatte er Recht und es gab mir wieder neuen Mut.

Zu Abend füllten wir unsere Bäuche mit einem Gemüseragout auf Bananenpüree. Exotisch aber recht schmackhaft. Dazu genehmigten wir uns auch ein paar Cervesas. Dabei kamen wir auch mit etlichen anderen Teams in Berührung und wir diskutierten das Gesehene. Wir wussten, dass viele Clubs mit zwei bis drei Booten hier waren. Diese fuhren gemeinsam und unterstützten sich gegenseitig. Alle Einzelgänger versuchten sich mit anderen Einzelteams abzusprechen und Partnerschaften einzugehen. Auch wir versuchten Partner zu finden, hatten aber nicht viel Glück. Alle Leute mit denen wir ins Gespräch kamen, waren bereits komplett. Anscheinend konnten wir auch nichts auf die Waagschale werfen, dass uns für andere interessant machte. Um acht erhoben sich nach und nach die Leute und gingen in die Nacht hinaus.

Um halb neun war am Dorfplatz die Startnummernauslosung angesagt. Der Platz war hell erleuchtet und von einer Bühne dröhnte Rockmusik. Kurz nach halb neun kamen dann ein paar Leute und erklärten, dass es drei Gruppen geben würde. In der Masters Division starteten die Professionals. Sie würden auch zuerst starten. Division II waren die erfahrenen Amateure, die bei Langstreckenkanurennen bereits gute Platzierungen vorzuweisen hatten, und Division III waren der große Rest, zu denen auch wir zählten. Die Divisionen unterteilen sich dann wieder in männliche, weibliche und gemischte Besatzungen. 17 Teams gehörten der Masters Division an. Dann wurden die 34 D II Teams ausgelost, bevor der große Rest kam. Wir bekamen die 57 zugelost. Dies ist eine sehr niedrige Nummer, was Vor- und Nachteile hatte. Vorteil war sicher, dass keine gestrandeten Boote uns den Weg versperrten und dass bei einem Unfall unsererseits, die nachfolgenden Boote uns zu Hilfe eilen konnten. Nachteil war sicher, dass wir kaum andere Boote beobachten konnten, wie sie schwierige Stellen meistern würden.

Nach der Auslosung wurden noch ein paar Verhaltensmassregeln besprochen. Die wichtigste davon war der Zwang zur Hilfeleistung bei Unfällen, solange bis die gelben Hilfskräfte am Ort des Geschehens eintrafen. Dann wurden auch noch ein paar andere Regeln diskutiert, wie der Einsatz von Funkgeräten, GPS und Testbojen. Dann verabschiedeten sich die Organisatoren und wünschten uns alles Gute. Das erste Boot sollte um 7 Uhr morgens ablegen. Im Minutenabstand würden alle anderen folgen. Wir waren also kurz vor 8 daran. Die Stunde der Entscheidung für Helmut und mich.

Während der Auslosung waren uns auch eine Gruppe deutscher Fahrer aufgefallen. Wir suchten das Gespräch mit ihnen und fanden heraus, dass sie eigentlich Wildwasserkanuten waren, die es einfach einmal mit Kanadiern versuchen wollten. Und sie waren begeistert von den Schwierigkeiten des Rio Macal. Nach dem wir nicht wirklich gut mit ihnen zu recht kamen, gingen wir bald zur Unterkunft. Gerade als wir den Hügel rauf gehen wollten, fiel uns ein am Puerto vorbei zu schauen, um unsere Kanadier zu unterstützen. Wir fanden sie dort auch vor, und halfen ihnen das Leck mit einer Glasfieberpaste auszubessern. Als dies erledigt war gingen wir gemeinsam in die Unterkunft, tranken noch einen dreifachen J & B gegen die tropischen Bakterien und verkrochen uns dann in unsere Kojen.

9. März

Es war nicht nur die Hitze, die uns zeitig aufwachen ließ. Im Licht einer flackernden Birne packten wir unsere Sachen in die Taschen und hängten das vorbereitete Schildchen daran. So wurde sichergestellt, dass unser Gepäck auch das heutige Ziel in Bermudian Landing erreichen würde. Wir waren nur mit einer Badehose und einer Schwimmweste bekleidet. Dazu trugen wir Neoprenschuhe. Die mit den dicken Sohlen, welche fürs Canyoning verwendet werden. Eine kleine Tasche mit den wichtigsten Dingen und den Helm trugen wir auf der Schulter. So wanderten wir runter zum Frühstück. Danach setzten wir uns auf einen Holzstappel am Kai und studierten noch einmal die Karten. Inzwischen hat sich das erste Tageslicht eingestellt. Wir mussten uns die heutige Tagesetappe genau einprägen. Insgesamt gab es neun kritische Stellen. Nur die beiden ersten kannten wir vom Training. Die dritte von der Besichtigung. Alle anderen würden wir uns vor der Durchfahrung anschauen. Vier der neun Stellen sind Good Luck Passagen, wo es kaum was zu besichtigen gibt. Die neunte, war ein künstliches Hindernis. Kurz vor dem Etappenziel in Bermudian Landing hatte man den Fluss zur Stromgewinnung aufgestaut und eine Wehranlage eingebaut. Dabei gab es aber eine Bootsgasse die man benützen kann. In diesem cirka 60 Meter langen Kanal haben die Veranstalter ein paar Tore eingebaut. Jedes Tor welches korrekt passiert wird, bringt fünf Minuten Zeitgutschrift. Insgesamt kann man hier 30 Minuten gut machen. Nach einer längeren ernsten Diskussion beschlossen wir Hindernis 3 nicht zu befahren, sondern das Kanu umzutragen. Dies war zwar nicht ehrenvoll, aber es garantierte, dass wir das Rennen fortsetzen können.

Wir schlenderten dann zur Landestelle und suchten unseren Hawkeye. Er schien in Ordnung zu sein. Dann studieren wir auch die Boote der professionellen Teams. Manche schauten ganz und gar nicht serienmäßig aus. Doch wie man uns versicherte, sind alle im Handel zu kaufen. Der schwarz-goldene Old Town Rennkanadier gefiel mir besonders gut. Obwohl mir die Fachleute erzählten, dass der Sieg zwischen den Werksbooten von White River und Melville ausgekämpft werden würde, und die Old Town Boote in Schönheit untergehen werden. Colin McGrath mit seinem Black Crow hatte Außenseiterchancen, genau wie der riesige Kanadier Hercule Boireau, der heuer schon zwei Rennen für sich entschieden hatte, und vielleicht noch der Vorjahressieger Carlos Lopez de Mendes, der auch heuer wieder das Rutherford Mad River Explorer Zero/Seven zur Verfügung gestellt bekam. Ein tolles Boot mit breitem Kielsprung, der über jede Walze helfen soll, und das extrem leicht und wendig ist. Das brasilianische Flachwasser-Kanadier-Olympiateam war auch vertreten. Sie wollten mit vier Teams starten und benutzten adaptierte Old Town Boote. Gerade als wir uns ein paar Osagian Alukanadier ansehen wollten, trafen wir auf einen zerknirschten Phil. Er erzählte mir, dass sie aufgegeben haben und nicht starten werden, da seine Hand durch die Wunde entzündet und riesig aufgeschwollen war. So konnte er das Paddel kaum halten. Außerdem schien die Bruchstelle des Bootes auch nicht wirklich zu halten. Jedoch wollten sie mit dem Tross mitfahren und das Rennen vom Ufer aus verfolgen. Da wir ihnen aber in unserer Naivität sympathisch waren, wollten sie uns auf unserem ersten Rennen coachen. Wir waren erfreut und sagten zu. Spaßeshalber versprachen wir ihnen auch jede Erfolgsprämie die wir gewinnen sollten. Wir rollten die Karte wieder auseinander und gingen die neun Passagen noch einmal mit Phil durch. Dabei gab es ein paar Bestätigungen von unseren Vermutungen, und dann noch eine echte Überraschung. Phil verriet uns, dass sie schon eine Woche hier sind, aber nicht viel trainiert hätten. Vielmehr haben sie die Aktivitäten des White River Teams beobachtet, und haben so für zwei Sonderprüfungen sehr gute Tipps parat. Sie sagten uns, dass wir den Santo Domingo Katarakt nicht wie beschrieben ganz rechts anfahren sollen, sondern mehr von der Flussmitte mit hoher Geschwindigkeit den Katarakt im spitzen Winkel auf das rechte Ufer zufahren sollten. Dabei würden wir um zwei bis drei Meter weiter außen an der Uferbiegung vorbei kommen, aber eine bessere Ausgangsituation für die Stromschnelle haben. Dies leuchtete uns ein. Der zweite Tipp bezog sich auf Hindernis Nummer 5, den Diablo Canyon. Dieser Canyon ist cirka 15 km lang und hat unzählige Kurven, an den Kurvenaußenseiten drückte es das Wasser brutalst an die Steilwand, und die Innenseiten der Biegungen sind kaum zu halten. Phil erzählte uns, dass sie eine einfache aber effektive Art beobachtet hatten, um dieses Hindernis zu meistern. Wir sollten gar nicht erst versuchen, in der Flussmiete zu bleiben, sondern durch den gesamten Canyon den langen Außenweg nehmen. Dort ist die Fliessgeschwindigkeit viel schneller und gleicht die längere Distanz wieder aus. Wir bräuchten dort auch nicht paddeln, da dies der Fluss für uns machen würde, sondern nur steuern. Jeweils beide auf der Innenseite. Dies sollte ebenfalls einen Versuch wert sein.

Inzwischen war es fast sieben Uhr geworden. Mike war ebenfalls zu uns gestoßen und wir gingen ins Startgebiet. Dort herrschte schon hektisches Treiben. Die ersten 10 Kanus waren bereits im Wasser und die Paddler richteten sich ein. Dann gab es noch eine kurze Ansprache des Veranstalters über ein knarrendes Megaphon und kurz nach sieben erfolgte der Startschuss. Carlos Lopez de Mendes machte sich unter dem Beifall der Anwesenden auf den Weg. 60 Sekunden später folgte der Italiener Gianni Bertolotti, einer von drei Melville Piloten. Und dann ging es schnell. Einer nach dem anderen begab sich auf die Strecke. Im Minutenabstand legten die besten Langstrecken Kanuten der Welt ab. Einige still und eher gelassen, andere wieder mit einem Freudenschrei und voller Kraft. Nachdem die Profiteams alle auf der Strecke waren, gingen auch wir und holten unser Boot. Ein Funktionär überprüfte unsere Ausrüstung, ein anderer Boot und Verblompung. Dann unterzeichneten wir auf einem großen Stück Papier unter der Nummer 57. Nun waren wir startbereit. Wir kletterten ins Boot während gerade die Nummer 49 abgelassen wurde. Ich hatte ganz weiche Knie und mir war schlecht. Ich atmete ein paar Mal kräftig durch um die Nervosität abzuschütteln, aber es gelang nicht richtig. Ich suchte nach Phil und konnte ihn am Ufer stehen sehen. Er winkte kurz und zeigte mit dem Daumen nach oben. Ich grinste zurück und spannte meinen Helm zum dritten Mal nach. Ich war mir nicht mehr so sicher ob dieses Abenteuer wirklich dass richtige für mich war. Ich dachte auch kurz daran, wie mir meine Familie damals gesagt hatte, dass diese ganze Idee ein Blödsinn sei, und ich mich lieber um, Frau und Kind kümmern sollte. Jetzt war Nummer 56 auf der Strecke. Ein silbernes Inkas. Die Piloten trugen beide einen gelben Helm. Wie der Baumeister Bob. Ich musste kurz schmunzeln. Helmut deutete auf sie und meinte: „Die gilt es zu jagen.“ Ich drehte mich kurz um. „Alles klar. Bereit? Den Inkas mit den gelben Bobs da vorne holen wir uns zuerst!“ Helmut meinte eher beschwichtigend: „Ja, aber fahren wir zuerst einmal Hindernis 1 an, und dann sehen wir weiter.“ Er hatte Recht, wir waren ja nicht zum Gewinnen gekommen. Durchkommen war unsere angesagte Devise. Und wir wussten auch, dass die meisten Teams schneller, stärker, und auch technisch besser waren als wir. Ich drehte mich wieder in Fahrtrichtung zurück und hatte eine Hand vor dem Gesicht. Der Starter zählte runter „ten, nine, eight, seven…“ und zeigte mir die einzelnen Finger. Ich umfasste mein Paddel fester und spannte die Muskeln. „…three, two, one, go!“ Und los ging es. Unter dem Jubel der Zuseher paddeln wir so gut wir konnten der Flussmitte zu. Kaum eine Minute später spürte ich bereits wie mir der Schweiß runter ran. Ich wusste, wir müssen viel trinken und mit unseren Kräften haushalten.

Schon waren wir unter lauten Zurufen der zahlreichen Zuschauer unter der charakteristischen Hawkesworth Bridge durch und schnell hatten wir die drei Startkilometer hinter uns gebracht. Die vor uns paddelnden Gelbhelme waren aus unseren Augen verschwunden, als wir ein Rauschen hörten, und die Rechtsbiegung vor uns sahen. Anders als am Vortag blieben wir in der Mitte des hier cirka 50 Meter breiten Flusses und versuchten nicht so nah wie möglich am rechten Ufer zu fahren. Ich hoffte inständig, dass Phil mit seinem Tipp Recht hatte. Gerade als ich mich umdrehen wollte um Helmut zu fragen, was er da mache, lenkte er das Boot in Richtung rechtes Ufer. Ich spürte mit meinem Hintern auf der Sitzbank dass er Druck machte. Also gab ich auch mein bestes und unser Kanu schoss im spitzen Winkel in die Innenseite der Kurve. Ich paddelte wieder links und schielte mit einem Auge auf die neben mir immer näher kommende Kante. Doch mit Hilfe der Angst, die zumindest meine Kräfte verdoppelte, schossen wir in die Kurve und kippten erst im letzten Moment über die Kante. Zwei Sekunden zuvor hatten wir die Paddelseiten gewechselt und Helmut hat sein Paddel tief ins Wasser gerammt, und das Boot damit wieder quer zum Abbruch gestellt. Dann ging es Schlag auf Schlag. Wir konzentrierten uns auf die Steine im Wasser. Immer wieder bekam ich eine volle Ladung Spritzwasser ins Gesicht, aber ich zwang mich die Augen offen zu lassen und mein Paddel sinnvoll einzusetzen. Wir rumpelten mehr als wir fuhren, die Stromschnellen hinunter. Zwei, drei Mal wurden wir auch auf eine Seite geschleudert, als wir über Steine fuhren. Der große schwarze Stein kam nicht in mein Blickfeld. Ich registrierte nach endlosen Sekunden, dass wir an dieser kritischen Stelle schon längst vorbei sein mussten. Aber immer noch ging es über Walzen und Steine bis sich nach einer letzten Welle das Wasser wieder beruhigte. Ich drehte mich um und sah in Helmuts grinsendes Gesicht. Auf seine Frage, ob’s Spaß mache, konnte ich nicht antworten, denn ich sah drei, vier Boote am Ufer liegen und versuchte auszumachen, wer es war. Aber schon waren wir wieder vorbei.

Die nächsten Kilometer fuhren wir mit halber Kraft und unterhielten uns über diesen gelungenen Einstand. Wir gaben aber auch zu, dass wir ohne unsere kanadischen Freunde mehr Probleme gehabt hätten. Da tauchte rechterseits die Stelle auf, an der wir am Vortag angelandet waren. Heute mussten wir die hinter der nächsten Rechtsbiegung gelegene Stromschnelle ohne Besichtigung befahren. Die Verhältnisse sollten ähnlich wie am Vortag sein. Als wir den Wasserstand in der früh checkten, hatte er plus 11 cm zum Vortag, was kaum einen Unterschied ausmacht. Wieder konsentrierten wir uns. Helmut rief mir zu, dass wir heute hier nicht aussteigen sollten, da das Wasser kälter sei. Doch bevor ich etwas Passendes antworten konnte, waren wir an der Stelle und ich konnte kurz die Unzahl von Steinen, Walzen und Hindernissen sehen, bevor es losging. Und wieder rumpelten wir hinunter. Ich dachte gerade, dass man sich daran gewöhnen könnte, als ich fast nach vorne ausstieg. Wir waren auf einen Felsen geprallt. Als ich das Wasser aus den Augen bekam, sah ich erst, dass wir nicht auf den Felsen gefahren waren, sondern zwischen zwei Felsen feststeckten. Es gab kein durchkommen. Also zurück. Aber wie? Die Strömung war zu stark. Doch bevor wir eine Idee hatten wie wir uns aus der misslichen Lage befreien könnten, rutschte ich mit meinem Paddel ab, welches ich gegen einen der Felsen gestemmt hatte, und wäre fast seitlich aus dem Boot gefallen, wenn nicht da der Felsen gewesen wäre. Ich stützte mich mit meinem Oberkörper dagegen, und hätte dabei das Boot fast zum kentern gebracht, doch durch diese Schräglage rutschte auch die breiteste Stelle des Kanus durch die beiden Felsen. Helmut stellte es dann mit einem wuchtigen Stoss gegen einen Felsen wieder auf. Und schon ging es weiter durch den Steinslalom. Noch ein paar Mal waren wir knapp am kentern, aber irgendwann beruhigte sich der Fluss wieder. Jetzt hatte ich kurz Zeit um unter die Spritzdecke zu schauen. Kein Wasser. Diesmal hatten wir sie anscheinend richtig montiert. Zufrieden paddelten wir weiter. Wir fühlten uns gut und unterhielten uns lautstark.

Trotzdem hatten wir unsere Meinung über Hindernis 3 nicht geändert. Als die Brücke vor uns auftauchte, machten wir uns bereit zum aussteigen. Wir wussten, dass wir von dort sogleich auf den Pfad kommen würden, der uns links unterhalb des Hindernisses führen würde. Wir landeten ein paar Meter vor der Brücke an. Kaum am Ufer, sprangen wir aus dem Boot, und drehten es um. Helmut hob es vorne an. Ich schlüpfte darunter, legte es auf meine Schultern und zog den Bug herunter. Dann trug ich es mit wackeligen Schritten die Böschung hinauf. Dies ging ganz gut. Mit schnellen Schritten marschiere ich an der Brücke vorbei den Fußpfad weiter. Nach zweihundert Metern merkte ich wie mir die Schultern zu schmerzen begannen, und die Oberschenkel brannten. Da wurde ich angewiesen, nach links zu gehen, und ich registrierte, dass hier ein Pfad runter führte. Ich schwitze aus allen Poren und der Schweiß rann mir in die Augen. Plötzlich hörte ich Helmuts Stimme hinter mir, die mir sagte, das er jederzeit zum wechseln bereit war. Ich war froh dieses Angebot bekommen zu haben, und als ich nach weiteren 50 Metern strauchelte, und fast hinfiel, bat ich um Ablösung. Ich setzte das Boot hinten ab, Helmut schlüpfte darunter und übernahm es. Röchelnd blieb ich ein paar Sekunden stehen. Dann nahm ich die Paddel, Spritzdecke, Karte und unsere beiden Taschen auf und lief ihm nach. Helmut überraschte mich immer wieder. Er hatte das schwere Boot auf die Schultern genommen und hastete in Riesenschritten den Hang hinunter. Ich konnte kaum Schritt halten, geschweige denn ihn fragen, ob wir wieder wechseln sollten. Aber da kamen wir an einen kleinen Nebenarm. Helmut warf das Boot rein, ich die Paddel darauf. Dann packten wir es rechts und links und zogen das Boot durch das etwa knietiefe Wasser weiter. Doch schon nach 30 Sekunden registrierten wir, dass dies anstrengender war, als es zu tragen. Im schlammigen Wasser kamen wir kaum vorwärts. Da sprang einer der gelben Helfer auf uns zu, und gab uns zu verstehen, dass wir das Boot nach links tragen sollten. Wir richteten uns auf und sahen zu linker Hand einen weiteren Nebenarm der jedoch breit und tief genug schien, um ihn zu befahren. Eine Minute später saßen wir klatschnass und völlig ausgepumpt wieder im Boot und paddelten den Arm hinunter. Kaum 100 Meter weiter floss er wieder in einen der Hauptarme und in rascher Fahrt ging es den Rio weiter hinunter. Nun hatten wir Zeit auszuschnaufen, Kraft zu tanken, und unsere Spritzdecke wieder zu richten. Nach zehn Minuten machte der Fluss eine Linksbiegung und die Ufer wurden flach. Nun war also das lange Stück vor uns, in dem es notwendig war, eine schnelle Spur zu finden. Bisher hatte uns noch niemand überholt, aber auch wir hatten noch keinen unserer Gegner im direkten Duell besiegt.

Nun fuhren wir den Fluss ganz locker hinunter, weichten Steinen aus und versuchten immer im tieferen Hauptstrom zu bleiben, annehmend, dass dort die Geschwindigkeit des Wassers am höchsten ist. So verging die Zeit. Bei der Einmündung des Rio Mopan wurde der Fluss noch breiter. Ab hier nannte er sich Belize River.

Nach einer weiteren Stunde hatten uns drei Boote überholt, was uns aber nicht sonderlich wehtat. Nun aber hieß es wieder aufpassen. Die nächste Stromschnelle war in Hörweite. Die Good Luck Stelle, welche Mike und Phil am Vortag all ihrer Träume beraubt hatte. Wir waren entweder zu müde oder vielleicht auch zu ungeduldig um uns die Stelle einmal anzusehen. Wir fuhren sofort darauf los und hielten uns auf der rechten Innenseite, wie vom Routebook empfohlen. Obwohl gerade dort unsere kanadischen Freunde ihre Hoffnungen begraben mussten. Dann war sie da. Wir fuhren über die Kante und ich stellte kurz fest, dass es kaum 50 Meter waren, die wir zu bewältigen hatten. Aber diese paar Meter hatten es in sich. Es ist mir unmöglich jetzt im Nachhinein dieses Erlebnis sekundengenau zu schildern, noch mich an meine Beobachtungen und Empfindungen zu erinnern. Aber es war sehr schnell vorbei, obwohl es ewig zu dauern schien. In solchen Extremsituationen können Sekunden zu Ewigkeiten werden. Fazit ist: Wir waren durchgekommen, und nur das zählte. Wie? Mit viel Glück und unter Ausnutzung unseres beschränkten Könnens. Erst viel später registrierte ich die blauen Flecken auf den Schienbeinen, und die Schürfwunde am rechten Handrücken. Am Abend hatten uns ein paar andere Paddler erzählt, dass sie uns bei dieser Passage zugesehen hätten, und sie überrascht waren, wie souverän wir diese Stelle meisterten. Als sie es uns nachmachen wollten waren sie gekentert.

Nur ein paar Flussbiegungen weiter konnten wir vor uns etliche Tafelberge erkennen. Wir wussten, dass sich durch diese Berge der Diabolo Canyon schlängelte. Der Canyon war cirka 15 km lang, hatte unzählige Windungen, und der Belize River schoss mit hoher Geschwindigkeit durch. Bei Hochwasser, so wie jetzt, gab es keine Sandbänke, sondern der Canyon war bis zu seinen glatten, senkrechten Felswänden mit Wasser gefüllt. Im Schnitt war das Flussbett hier nicht breiter als 20 Meter.

Zwanzig Minuten später waren wir direkt an der Einfahrt. Wir paddelten zwischen die mächtigen Felsen rein, die immer näher zusammen zu wachsen schienen. Da der Grund dieser Teufelsschlucht immer im Schatten lag, kam es uns auch etwas kühler vor. Nun kam die erste Biegung. Wir nahmen nicht, die logische, also kürzeste Strecke an der Innenkurve, sondern ließen uns von der Strömung nach außen tragen. Dabei merkten wir wie sich die Geschwindigkeit erhöhte. Je näher wir der Außenwand kamen, desto mulmiger wurde mir. An den vorbei gleitenden glatten Felsen erkannte ich wie schnell wir unterwegs waren, und mir wurde klar, dass keine Chance besteht, sich irgendwo an diesen Felsen festzuhalten, oder gar raufzuklettern. Ich paddelte auf der Außenseite weiter, während Helmut keine Probleme hatte die Richtung beizubehalten. Und dann waren wir durch die Kurve. Ein paar Felsen die größere Walzen verursachten, umpaddelten wir problemlos. Dann ging es cirka 15 Minuten mit leichten Richtungsänderungen weiter, bis sich ein mächtiger Felsen in den Weg stellte. Er drückte den Fluss in ein noch engeres Bett. Wir steuerten daran vorbei und wurden heftig, aber durchaus angenehm von diversen kleinen Schnellen und Walzen durchgeschaukelt. Durch das viele Wasser bedeutete dies aber keine Gefahr. Und dann kam die nächste Kurve. Laut Plan war dies der Anfang der kurvenreichen Strecke. Wieder ließen wir uns bewusst nach außen tragen und fuhren einen weiten Radius. Und wieder ging es im Höllentempo durch den Kessel. Ich konnte durch meine Paddelschläge das Tempo nicht mehr erhöhen, so beschränkten wir uns beide, etwa einen Meter Abstand von der glatten Felswand zu halten. Dies gelang auch recht gut. Kaum erreichten wir den Kurvenausgang erkannten wir, dass sich eine weitere Kurve, aber diesmal in die andere Richtung, anschloss. Auch dies war einfacher als erwartet. Die Strömung trug uns automatisch aus der Kurve heraus, kreuzte die Mitte des Flusses und trug uns im hohen Tempo auf die gegenüberliegende Felswand zu. Doch bevor wir noch irgendetwas tun konnten, wurde das Boot von der Strömung wieder in die Fliessrichtung gedrückt. Wir beschränkten uns wieder darauf, den Hawkeye in Laufrichtung zu halten. Nach jener Kurve ging es ein paar hundert Meter halbwegs gerade aus, bis sich eine neuerliche Richtungsänderung ankündigte. Die Felsen und Walzen waren leicht zu umfahren, und in den schnellen Kurvenaußenseiten schien es keine zu geben. So fuhren wir Kurve um Kurve und es machte Spaß, da es Kräfte schonend war. Plötzlich sahen wir vor uns orangefarbene Schwimmwesten. Ja da vorne war ein anderes Kanu. Sofort nahmen wir das paddeln wieder auf. Die anderen Piloten waren in der nächsten Kurve verschwunden. Es dauerte eine Weile bis auch wir in sie einfuhren und uns in gewohnter Manier auf die Außenseite konzentrierten. Drei Minuten später waren sie wieder zu sehen. Diesmal viel näher. Es war ein rotes Boot und die beiden Paddler versuchten gerade die nächste Rechtskurve möglichst ihnen anzusteuern. Wir schoben unser Boot hingegen mit kräftigen Paddelschlägen auf die Außenseite der Kurve. Und nun konnten wir erkennen wie wertvoll Phils Tipp war. Mit fast doppelter Geschwindigkeit näherten wir uns dem anderen Boot und waren bald auf gleicher Höhe. Es war sogar genug Zeit zu sehen, wie verbissen sich die anderen gegen die Wassermassen stemmten, um eine möglichst kurze Route zu fahren. Aus der Kurve raus begannen wir wieder intensiv zu paddeln und hängten unsere Gegner spielend ab. Die Kräfte sparende Fahrweise kam uns jetzt sehr zu Gute. Und während wir uns wieder außen in die nächste Kurve rein ließen, sah ich mich kurz um, um festzustellen, dass das andere Boot wieder versuchte einen möglichst engen Radius zu nehmen. Kaum sah ich wieder voraus, sah ich zwei weitere, auch rote Boote vor uns. Es schien, dass die drei Boote versuchten, gemeinsam den Fluss zu bezwingen. Bald kamen wir auch den beiden anderen Booten näher, die uns ihrerseits ebenfalls schon ausgemacht hatten. Wir sahen, dass sie nun ihre Anstrengungen verdoppelten. Da kündigte sich eine besonders enge Kurve an. Die beiden Roten versuchten ganz ihnen zu bleiben, während wir durch das Nehmen des weiteren Weges wieder etwas abfielen. Doch dann passierte es. Das erste, der beiden Boote wurde durch den Druck von der Innenbahn nach außen getragen, und knallte seitlich rechts gegen einen Felsen. Dadurch konnte der Steuermann das Boot nicht mehr gerade halten. Das Kanu machte plötzlich einen Hacken nach rechts und katapultierte sich quer zum Fluss nach außen. Dort knallten sie gegen die Felswand. Die beiden Piloten versuchten im Kanu zu bleiben, während sie verkehrt zur Fahrtrichtung von der Strömung weiter getragen wurden. Das zweite Boot konnte nicht helfen, da es genug mit sich selbst zu tun hatte. Aber viel hätten sie auch nicht machen können. In der Zwischenzeit waren wir herangekommen und näherten uns mit hoher Geschwindigkeit den verkehrt fahrenden Paddlern. Sie waren uns zugewendet, mussten sich aber konzentrieren, verkehrt die Richtung zu halten um nicht zu kentern. Wir wollten innen an ihnen vorbei bemerkten aber zu spät, dass der Wasserdruck dieses Manöver nicht zuließ. Also brüllte ich die vor uns fahrenden Kanuten an, und zeigte ihnen, dass wir außen an der Wand vorbei wollten. Dann waren wir auch schon da. Alle vier rissen wir nur noch die Paddel in die Höhe. Wir schoben uns mit unserem Kiel zwischen das rote Boot und die glatte Wand. Tuschierten zuerst die Wand, dann das Boot, und nochmals die glatte Felswand und schon waren wir vorbei. Während wir am Kurvenausgang sofort wieder zu paddeln begannen, versuchten die anderen ihr Boot wieder zu drehen.

Weiter ging es durch dunkle Schluchten und zwischen Felsnadeln durch. Noch zwei weitere Boote konnten wir überholen. Dann war der Spuck vorbei. Plötzlich traf uns die pralle Sonne wieder voll ins Gesicht und die Felswände traten zurück. Nun kam die lange eher gemächliche Strecke des heutigen Tages. Keine Schwierigkeiten, nur ein paar harmlose Schnellen und Kurven. Nun legten wir uns so richtig ins Zeug. Wir wussten, dass etliche andere Teams vollkommen ausgepumpt hier eine Erholungsphase einlegen mussten, während wir uns recht fit fühlten. Nun hatten wir einen 40 Schläge pro Minute Rhythmus gefunden, der uns schnell weiter trug. Nach cirka 10 Minuten fuhren wir unter einer Brücke durch. Etliche Leute winkten uns zu. Kurz danach war auch eine provisorische Lande- und Verpflegungsstelle eingerichtet. Wir hatten Banana Bend erreicht. Dies war also das Ende der ersten Halbetappe. Wir hatten beide noch Proviant dabei, den wir schnell zwischendurch runterwürgten. Auch hatten wir noch beide genug Trinkwasser. Also fuhren wir vorbei und registrierten mit Befriedigung, dass wir wieder zwei Boote kampflos überholt hatten.

100 Meter weiter standen Phil und Mike auf einer Halbinsel und brüllen uns etliche Sachen zu. Wir konnten nur so viel verstehen, dass wir ganz gut lägen, und dass Passage 6 ganz links beim Ball zu befahren sei. Was immer sie mit Ball meinten, oder vielleicht hatten wir auch nur schlecht verstanden. Dann ging es ohne weitere Ereignisse bis zum Hindernis 6, eine Steinwurfstelle. Das Roadbook sagte: Bei Niedrigwasser runter tragen, bei Hochwasser rechts aussteigen und Besichtigung bevor Befahrung. Wir tendieren dazu auszusteigen und kurz zu besichtigen, da wir nicht genau wussten, was Mike mit dem Ball gemeint haben könnte. Während wir noch diskutierten, überholt uns im Affentempo einer der Osagian Rennkanadier. Zuerst waren wir erstaunt, dass einer von ihnen hinter uns war, und dann konnten wir kaum glauben wie schnell man mit einem Boot nach fast vier Stunden noch unterwegs sein konnte. Automatisch begannen wir auch wieder mit mehr Druck zu paddeln. Doch schnell vergrößerte sich der Abstand zu den Osagian Piloten. Kaum fünf Minuten später tauchte eine Vorwarnung für das Hindernis 6 auf. Wir begannen die Anlandestelle auf der rechten Seite zu suchen. Doch konnten wir unter den Bäumen weder Boote noch Leute ausmachen. Die cirka 150 Meter vor uns paddelnden Werkspaddler machten keine Anstalten nach rechts zu fahren. Ich nahm an, dass sie es als Profis ohne vorherige Besichtigung wagen würden, oder wahrscheinlich genau informiert wurden, wo und wie man am besten dieses Hindernis meistern konnte. Schon waren sie verschwunden. Dies bedeutete für uns, dass wir uns der Steinwurfstelle näherten. Da hörte ich Helmut hinter mir rufen. Ich drehte mich kurz um, und sehe wie er mit dem Kien nach vorne deutete und das Kanu nach links steuerte. Jetzt sah ich es auch. Dort wo zuvor die Osagianfahrer verschwunden waren, ragte ein Stein aus dem Fluss. Es war ein etwa ein Meter großer Kiesel der von uns aus gesehen wie eine Kugel aussah. Dies musste der Ball sein, von dem Mike gesprochen hatte. Helmut hatte bereits für uns beide entschieden und steuerte den Felsen direkt an. Sofort drängte sich bei mir die Frage auf, links oder rechts vorbei. Ich hatte nicht gesehen wo die beiden vor uns runter gefahren sind. Ich konnte mich auch nicht erinnern ob Mike irgendetwas gesagt hatte. Also kam ich zum Schluss die Entscheidung Helmut zu überlassen. Dieser dürfte aber mehr gesehen haben, denn er fuhr eindeutig die linke äußere Seite des Kugelsteines an. Ich schaute noch einmal Hilfe suchend ans Ufer und hoffe dort Mike oder einen Helfer im gelben T-Shirt zu sehen, der uns einen Tipp geben würde. Aber ich sah niemanden. Dann war die Kante da. Wieder ein einmaliges Gefühl. Wir mussten erst über die Kante raus schießen um runter sehen zu können. Dabei stockte mir wieder der Atem. Dann kippte das Kanu über die Kante und mir drückte es den Magen auf die Lunge. Und schon ging es mit großem Speed die Schrägfahrt hinunter. Wir hatten die richtige Stelle gewählt. Viel Wasser, keine Steine. Unten tauchen wir mit dem Bug tief ein. Ich bekam eine Ladung des nicht sehr sauberen Flusswassers ab. Und das war es. Ich konnte vor uns auch wieder die Leute im silbernen Osagian erkennen, aber sie entfernten sich von uns zusehends.

Nun wieder ein paar Meilen durch ruhigeres Gewässer, bis die nächste Stromschnelle kam. Ich war müde, aber als ich daran dachte wie toll alles bisher gelaufen war, und dass uns noch kein Boot mit höherer Startnummer in den letzten beiden Stunden überholt hatte, bekam ich dieses selbstbewusste Gefühl. Dann fiel mir auch noch ein, dass die letzten drei Hindernisse auch nicht besichtigt werden brauchten, und dies erhöhte meine Motivation. Ich stach fest und lang ins Wasser und versuchte möglichst effektive Paddelbewegungen, möglichst wieder im 40er Takt. Ich spürte auch, dass Helmut dies bemerkt hatte und seinerseits wieder mehr Druck gab. So ging es in ansprechendem Tempo den Belize River hinunter. Irgendwann wurde es wieder ruppiger und bald kündigte sich die nächste größere Schnelle an. Eine weitere Good Luck Passage. Wir sahen, dass speziell auf der rechten Seite das Spritzwasser jede Sicht versperrte, aber wir sahen auch, dass die linke Flusshälfte relativ wenig Wasser führte, welches sich zwischen unzähligen Steinen hinunter schwindelte. Kaum befahrbar mit einem 5 Meter Canadier. Also entschieden wir uns für den goldenen Mittelweg. Doch gleich im ersten Viertel ließ uns eine gewaltige und breite Walze nach links wegschlittern. Wir umfuhren zwei Felsen und befanden uns nun in einem Gewirr von größeren und kleineren Felsen. Es gelang uns ganz gut die größeren zu umfahren, jedoch gegen die kleineren prallte unser Boot unbarmherzig auf. Manchmal frontal von vorne, sehr oft aber auch seitlich. Ich hatte mich in meinem Cockpit verspreizt, versuchte durch das Labyrinth zu steuern, und möglichst das Kanu gerade zu halten. Oft fuhren wir auf halb unter Wasser befindlichen Steinen auf, von denen wir dann seitlich runterkippten. Aber wir hatten Glück und es gelang uns immer wieder das Boot aufzurichten. Dabei wurde mir erst klar, wie viel dieser Hawkeye dabei für uns tat. Mir wurde auch bewusst, dass das Boot sich selbst dann wieder in die Standardlage zurückdrehen würde, wenn man den Rumpf um 90 Grad kippen würde. Wir hatten ein gutes Kanu bekommen.

Auch diese Schnelle überstanden wir ohne Kenterung. Das dadurch freigesetzte Glücksgefühl mobilisierte unsere letzten Kräfte und wir paddelten auf die etwa zwei Meilen vor uns liegende neuerliche Stromschnelle. Diesmal hatten wir keinen Tipp. Ich sah auch kein Boot vor oder hinter uns, welches wir beobachten könnten. Ich erinnerte mich, dass das Roadbook nur erwähnt, dass es große Steine zu umfahren gibt; die Durchfahrt aber auf der gesamten Breite möglich wäre. Mit der Hoffnung, dass es schon gut gehen würde, steuerten wir die nächste Stelle an. Der Fluss nahm wieder an Geschwindigkeit zu. Wir hörten das Rauschen, dann sahen wir auch eine Wasserlinie die sich von Ufer zu Ufer zog. Wir sahen auch ein paar winkende Einheimische, die uns keine Hilfe waren. Und noch einmal dieses unvergleichliche Erlebnis wenn die Kante plötzlich da ist, du auf das Kommende runterschauen musst, und im selben Moment weißt, ob es machbar sein wird oder eben nicht. Kaum schaute ich über die Kante, schrie ich „Scheiße“ und überlegte mir einen schnellen Ausstieg. Genau vor uns war ein breiter Fels auf den wir zurasten und in ein paar Sekunden frontal anfahren würden. Es gab weder nach rechts noch nach links ein Ausweichen. Und schon war er da und ich hielt mich am Kanu fest. Ich machte die Augen zu, spürte den Aufprall und flog nicht nach vorne. Ich riss die Augen wieder auf und realisierte, dass unser Hawkeye auf den Felsen gesprungen war und festsaß, da er auf der oberen Plattform fast trocken war. Wie auf Kommando waren wir beide aus der Spritzdecke und erkannten sofort, dass wir vorne nicht runter konnten. Mit zwei Handgriffen hatten wir das Kanu umgedreht und ins Wasser am oberen Ende des Felsens gestellt, sprangen wieder hinein – nicht ohne danach die Spritzdecke zu kontrollieren, und versuchten uns durch rucken und unter Beihilfe der Paddel ins Wasser zu stoßen. Dies gelang auch nach ein paar Versuchen, und schon drehte sich das Kanu rund um den Felsen und stürzte die Schnelle hinab. Da waren aber wieder zwei mächtige Felsen, die höchstens zwei Meter auseinander standen. Wir rissen beide die Paddel über den Kopf und das Boot schrammte durch die Felsen, gefährlich nahe am linken. Dabei wurde die linke Bootsseite unter die Wasseroberfläche gedrückt. Ich ließ mein Paddel los und versuchte mich mit der linken Hand vom Felsen abzustoßen, dabei streifte das von mir über meinem Kopf gehaltene Paddelblatt den Felsen und wurde mir ins Gesicht geschleudert. Glücklicherweise bekam der Stirnteil des Helmes den Großteil des Schlages ab, aber auch mein linkes Auge und die Wange wurden noch hart getroffen. Dann waren wir durch und ich ergriff das Paddel auch mit meiner zweiten Hand. Die restlichen fünfzehn Meter waren leicht zu machen. Dann waren wir wieder auf dem ruhigeren Fluss, der hier aber auf mehrere Kilometer große Schaumkronen hatte, die durch am Grund liegende Steine gebildet wurden. Jetzt erst hatte ich Zeit mein Gesicht zu befühlen. Ich merkte, dass meine Augenbraue weh tat und dass ich blutete. Aber das reinspritzende Flusswasser kühlte die Wunde. Ich fühlte auch, dass wir Wasser gefasst hatten, aber es war nicht genug um uns Probleme zu machen. Außerdem waren es nur noch ein paar Kilometer bis Bermudian Landing.

Wieder legten wir uns mächtig ins Zeug. Ich sah niemanden hinter uns. Jetzt merkte ich auch, dass mir die Schultern schmerzten, und dass ich Blasen auf zwei Fingern der linken Hand hatte. Und dies trotz guter Handschuhe. Auch fiel es mir immer schwerer druckvolle Paddelschläge auszuführen. Ich versuchte mich wieder zu konzentrieren und technisch sauber zu paddeln. Dabei verging wieder ein wenig Zeit. Dann sah ich hinter einer Gruppe von Bäumen viele Häuser auftauchen. Und wieder vergingen endlose Minuten. Endlich war sie zu sehen. Die Wehranlage von Bermudian Landing. Eine Skizze im Roadbook zeigte uns, wo wir hin paddeln mussten. Links neben der Wehr war ein Kanal in den wir hinein mussten, und von dem die Wehrgasse abging. Wir paddelten nun wieder im Höchsttempo, denn hunderte Leute standen am Ufer und jubelten uns zu. Auch hörte ich eine Musikkapelle spielen und einen Lautsprecher bellen. Wir fuhren durch den Kanal und ein gelber Helfer wies uns den Weg in die Schleusengasse. Wir bogen um die Ecke und sahen unter uns die sechs Tore. Nicht im herkömmlichen Sinn. Man hatte einfach Seile über die Wehrgasse gespannt, und an jedem eine Glocke angehängt. Nun kam es darauf an, durch den schnell fließenden Kanal so durchzufahren, dass man mit dem Paddel oder der Hand auf die Glocken schlagen konnte.

Wir hatten den Standort der Tore auf der Karte studiert und uns vorgenommen, dass wir vier der sechs versuchen würden. Dabei sollten wir das erste Tor von ganz außen links anfahren, um dann auf Tor Zwei runter zu schneiden. Lassen das versetzte Tor Drei aus, fahren unter Vier durch, vergessen die Fünf, und schlagen die Sechs wieder an. Helmut wollte steuern, meine Aufgabe war das anschlagen der Glocken. Nun sausten wir den Kanal hinunter und steuerten nach rechts. Da war die erste Glocke links vor mir. Ich hob das Paddel und schlug zu, verfehlte das Ziel aber um Haaresbreite. Sofort aber musste ich mit dem Paddel wieder ins Wasser um an Nummer Zwei ranzukommen. Das gelang auch sehr gut. Aber wieder verfehlte ich die Glocke. Doch da hörte ich schon über mir, dass Helmut die Glocke mit seinem Paddel erwischt hatte. Tor Vier war kein Problem. Ich hielt mein Paddel nur kurz nach oben. Dann war Tor Sechs da. Wieder traf ich die Glocke und wir versuchten nun die /Schleusenausfahrt möglichst wieder in der Mitte zu erwischen. Dann durch das Tor in der Mauer und wir waren wieder auf dem Fluss, der hier etwas träge war. Doch dreihundert Meter vor uns, war das große rote Transparent, das die Ziellinie anzeigte. Noch einmal paddeln wir am Limit und schießen durch da Ziel.

7 Stunden 22 Minuten. Wir landeten an und kletterten aus dem Boot. Mir tat alles weh und ich war froh, dass sich ein paar „Gelbe“ um unser Boot kümmerten. Dann fiel mir Helmut um den Hals. Eine anwesende Krankenschwester sah mein Gesicht und zerrte mich zum Ambulanzwagen. Dort wurde ich abgetupft, mit Alkohol (nur ausserlich) versorgt, und bekam ein großes Pflaster. Dann gingen wir zur Zeitnehmung. Wir registrierten, dass wir als 31. durchs Ziel gegangen waren, folglich hatten wir 26 Konkurrenten überholt. Darüber freuten wir uns riesig. Da tauchten auch Mike und Phil auf und sie schüttelten uns gratulierend die Hände. Jedoch dämpften sie auch schnell unseren Enthusiasmus, denn sie erklärten uns, dass wir zwar als 31. durchs Ziel gegangen waren, aber später gestartete Konkurrenten durchaus eine bessere Zeit haben könnten. Wir quälten uns aus der Schwimmweste und trockneten uns ab. Meine Arme waren schwer wie Blei. Dann begleiteten uns die beiden Kanadier zu unserer Unterkunft, die einen Block weit weg, aber dafür zu Fuß leicht erreichbar war. Dort war schon unser Gepäck angekommen. Wir duschten, zogen uns um, und wanderten zur Bar. Mike spendete eine Runde Bier und wir begannen unsere Erlebnisse zu schildern. Danach gingen wir noch einmal zum Zielgelände hinunter. Inzwischen waren alle Teilnehmer eingetroffen. Es war auch schon Zeit, denn es dämmerte. Im Schein einer Benzinlampe konnten wir die ausgedruckten Ergebnislisten studieren. Natürlich suchten wir zuerst nach unseren Namen, und da waren sie auch. Wir waren in der Zwischenwertung an unglaublicher 34. Stelle angeführt. Da wir uns einen Platz in den Top 100 gewünscht hatten, waren unsere Hoffnungen weit übertroffen worden. Wir registrieren, dass wir in unserer Division III die Dritten waren. Hinter zwei amerikanischen Booten, aber weit vor den Europäern. Natürlich schaute ich mir auch die Gesamtwertung an. Mir fiel sofort auf, dass auf den ersten 10 Plätzen 8 amerikanische Boote waren, und nur der vierte und der achte Platz von Kanadiern eingenommen wurden. Das White River Kanu der Brüder Smith war in Führung. Eine kleine Überraschung, aber sie kannten den Fluss wie kaum ein anderer. Nur 26 Sekunden dahinter war Carly Gonzales und Willy Melchior mit ihrem Eigenbau. Sie werden zwar als Amerikaner geführt, aber beide leben schon seit vielen Jahren in Belize. Die Überraschung schlechthin lieferte das Duo Webster/Connors mit dem Alu Osagian. Einem Boot der Division II das man nicht in den Top 10 erwarten durfte. Eine Niederlage setzte es hingegen für die drei favorisierten White River Werksboote. Der bärenstarke Kanadier Curt Fuller als Vierter war noch der beste. Will Owen war nur Neunter und fast 15 Minuten zurück. Und der Team Captain Jim Harting war überhaupt ausgeschieden. Er hatte sein fast unzerstörbares Kevlarkanu im Hindernis 3 zerbrochen. Auch zwei weitere Masters Paddler mussten aufgeben. Dann wurde ich von anderen Teilnehmern von der Liste abgedrängt und ich konzentrierte mich auf die Erzählungen von Mike, der mir plausibel die Ergebnisliste dokumentierte. Noch immer plaudernd gingen wir ins große Essenszelt und nahmen ein großes Abendessen zu uns. Pfannkuchen mit diversen Marmeladen und Topfencremen. Mit vollem Bauch gingen wir bald darauf in unsere Unterkunft um bei ein paar letzten Überlegungen den Tag ausklingen zu lassen. Der Lärm von den feiernden Einheimischen und etlichen Kanuten drang zu uns herüber und ließ uns nicht zur ruhe kommen. Ich verbrachte noch eine halbe Stunde beim Kartenstudium und schlief dann doch erschöpft ein.

Weiter zum zweiten Teil.