KanuKanu

menu
20151106-225327
Eine Kurzgeschichte von Günter Dollhäubl

Zusammen mit meinen Freunden Hermann und Mario war ich unterwegs aufs Nordkap. Es war unsere erste Reise an dieses begehrte Ziel. Wir waren mit einem Chevy Blazer und einem Anhänger unterwegs, was uns die Möglichkeit gab, auch einmal abseits der berühmten E6 zu fahren. Dies nutzten wir auch von Zeit zu Zeit aus. Als wir am Alta-Fjord eine Schönwetterphase hatten, campten wir ein paar Tage in der Wildnis am Fjord. Ein wunderbares Erlebnis in der arktischen Vegetation, welches man nur weiter empfehlen kann.

Da wir unsere mitgebrachten Lebensmittel auch immer wieder mit dem dort reichlich vorhandenen frischen Fisch aufbessern wollten, machten wir uns nach dem Errichten des Lagers, zum fischen fertig. Das allzwecktaugliche Adventure war bald einsatzbereit, und wir setzten dieses unverwüstliche Kanu ins Wasser. Mit der Angelausrüstung bewaffnet paddelten wir weit in den Fjord hinaus. Dies war notwendig, da wir bei Tests feststellten, dass das Wasser des Fjordes kaum fünf Meter tief war, und daher kaum größere Fische zu erwarten waren. Endlich fanden wir eine gute Stelle und begannen zu fischen. Zwei Stunden später hatten wir nicht nur fürs Abendessen gesorgt, sondern auch den Proviant für den nächsten Tag gefangen.

Also paddelten wir wieder zurück. Doch welch eine Überraschung als wir um eine felsige Landzunge paddelten und der Fjord den Blick auf die Bucht in der wir unser Camp aufgeschlagen hatten, freigab. Inzwischen hatte die Ebbe eingesetzt und der Wasserspiegel war um ein paar Meter gesunken. Wo vorher noch eine große Wasserfläche war, sahen wir nun eine große, grüne Wiese, durchzogen von vielen Wasserläufen, aus denen uns ganze Bäche entgegenströmten. Diese Kanäle zu befahren war nicht möglich. Ein paar Stunden zu warten, bis die Flut wieder einsetzen würde, wollten wir auch nicht. Also landeten wir auf einer mit allerlei Grünzeug, wie Seegras, bewachsenen Sandbänke an und zogen das Kanu aus dem Wasser. Boot entleeren, Boot auf die Schultern, 50 Meter tragen, dann der nächste Kanal. Also Boot wieder absetzen, Boot ins Wasser, Gepäck einladen, Leute ins Boot, und übersetzen. Dann wieder anlanden und alles von vorne.

Ich weiß nicht, wie oft wir dieses Spiel wiederholen mussten, aber irgendwann waren wir ziemlich müde und vollkommen ausgepowered wieder in unserem Camp. Doch bereits ein paar Stunden später konnten wir über diese Geschichte lachen. Speziell als kaum 10 Meter von uns entfernt, sich das rote Licht der Mitternachtssonne im dunklen Wasser des Fjordes spiegelte.

Und eine Erfahrung fürs Leben haben wir mitgenommen: "Bevor du dich mit dem Kanu aufs Meer hinaus begibst, solltest du dir auch den Gezeitenhub genau anschauen…"

-- August 2003, GuenterDollhaeubl